ACHTUNG: Mode!

Eine Rekapitulation der Berliner Fashion Week

von Sharon Berkal

Gehen wir gleich an's Eingemachte: Ist Berlin eine Modestadt? Meine Antwort: Ich verstehe die Frage nicht. Definieren Sie "Modestadt"! Deutschland hat eine Modebranche und die zeigt in der einen Stadt, die a) am meisten Kapazitäten hat und b) vielleicht auch international etwas zum Klingen bringt. Das ist im deutschen Fall halt aktuell Berlin. Punkt. Natürlich liegt in jedem Unkenruf ein Fünkchen Wahrheit, aber eine deutsche Modewoche mit den jahrzehntelang etablierten und mit internationalem Geld betriebenen Wochen in Paris oder Mailand zu vergleichen ist kleinlich. Und im Übrigen sehr deutsch.

 

Für meinen Teil, ich habe in Berlin in dieser Saison gute und auch sehr gute Mode gesehen. Die Rückkehr der Eleganz in vielen Kollektionen hat mich erfreut. Hoffentlich findet sie auch den Weg vom Laufsteg auf die Straße, denn wie eine liebe Freundin einmal fragte: Warum sehen hier eigentlich alle so aus, als ob sie gleich wandern gehen.

 

Wenn ich mir eine Veränderung wünschen dürfte: weniger Jugendwahn in der ersten Reihe. Zwar ist die 20-jährige Influencerin mit großer Fangemeinde in Zahlen auf Papier ein großer Erfolg. Aber wenn ich Kleider für Tausend Euro verkaufe und meine Zielgruppe selbstbewusste Frauen sind, sollte ich meine Kundin doch eher im DAX-Vorstand suchen. Eine erfolgreiche Galeristin jenseits der 18 könnte am Ende des Tages die gewinnbringendere Multiplikatorin sein. Mode ist schließlich auch Business. Und zwar das Schönste! In diesem Sinne: Hier sind meine Highlights der Kollektionen Herbst/Winter 20/21 auf der vergangenen Fashion Week:


ODEEH

Die beiden Designer OTTO DRÖGSLER und JÖRG EHRLICH haben mich noch nie enttäuscht. Auch nicht für den kommenden Winter. Fließende Stoffe, elegante Farben und unaufdringliche Opulenz. Kleidsam unabhängig von Alter und Gewicht, denn bei ODEEH ist Frau ein schönes Wesen. (Man hätte sich während der Show ((und auch bei anderen)) gewünscht, das dieser Funke auch auf die Models überspringt. Oft genug wirkten sie wie verschüchterte Rehe im Scheinwerferlicht. In diesem Punkt ist natürlich Paris und Mailand klar im Vorteil, denn ein starkes Model sorgt für mehr Sichtbarkeit. Was z.B. Gigi Hadid trägt, lebt.)



NOBI TALAI

Für mich eindeutig die stärkste Show der Modewoche. Die Inspiration der Designerin, Nomaden und Berber, zog sich gekonnt durch die Entwürfe und ihre Präsentation. Exotik, die sich auf den eigenen Alltag übertragen lässt. Jacken mit Struktur in Kombination zu weichen Stoffen zeigen selbstbewusste Weiblichkeit. Große Handwerkskunst und luxuriöse Stoffe - so soll Mode aus Deutschland sein.


WILLIAM FAN

William Fan überzeugt immer mit einem stimmigen Gesamtkonzept. Als einer der wenigen deutschen Brands, entwirft er für seine Konsumenten den totalen Look inklusive Taschen, Schuhe und Accessoires. Sein Stil und die hochwertige Ausführung zieht sich bis in kleinste Details. Auch der Ort seiner Show - der Berliner Fernsehturm - ein Highlight.



DANNY REINKE

Bewegt sich unverdienterweise immer unter meinem Radar. Das muß sich ändern! Er hat den Mut und die Lust, auf große Opulenz (siehe Rüschenkleid) zu setzen. Und was wäre die Welt ohne diese Träume.


FRISCH

Das brandneue (und erste) Label zweier Cousinen Svenja und Elianne Frisch debütierte im kleinen Rahmen auf der Fashion Week. In einer eleganten Suite im Art-Deco-Stil im Berliner Savoy stellten sie bei einem Glas Champagner ihre seidenen Kaftane und samtenen Kleider vor. Aus Deadstock produziert, gibt es kein Modell mehr als zwei Mal - Haute Couture der Nachhaltigkeit. Die jungen Designerinnen wollen mit FRISCH an den Glamour vergangener Tage, an Zeiten von Stilikonen wie Lee Radziwill und an ihre immer opulent gekleidete Oma erinnern. Das ist gelungen. Chapeau!



MANHEIMER

Auch MANHEIMER präsentierte sich auf dieser Modewoche zum ersten Mal. Das neue Männermodelabel ist mir eine echte Herzensangelegenheit: Die 1839 in Berlin vom deutschen Juden Valentin Manheimer gegründete Marke hat in der Konfektion Geschichte geschrieben. (Erinnerung an alle, die immer sagen Berlin sei keine Modestadt.) Das Imperium und sein Vermächtnis wurden von den Nazis zerstört. Das Wissen darüber: nicht wirklich vorhanden. Die jetzigen Macher um z.B. Kunstmäzen Christian Boros wollen dies mit der Wiederbelebung der Marke ändern. Wer, wie, was und wo: demnächst mehr im HAUS GLANZ.