PORZELLAN, POLITIK UND VIEL POESIE.

Wie RONA KOBEL und die KPM eine deutsche Designikone neu interpretieren und damit eine schöne Form zum formvollendeten Manifest machen.

1931 entwarf MARGUERITE FRIEDLAENDER die HALLE-Vase, in Proportionen, Linienführung und schlichtem Schwung eine Ikone der Bauhaus-Tradition und heute ein internationales Aushängeschild für Design made in Germany. Doch die gebührende Anerkennung sollte der jüdischen Designerin mit dem aufkommenden Nationalsozialismus zunächst verwehrt werden: FRIEDLAENDER wurde als Gestalterin des Produktes aus den Unterlagen gestrichen, ihr Entwurf vorläufig namenlos und erst viele Jahre später wieder mit großem Stolz unter ihrem Namen durch die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin weiterverkauft.

 

Über 90 Jahre später schuf nun RONA KOBEL daraus Objekte mit politischer Schlagkraft. Mit pudrigen Pastelltönen, neobarocken Schleifen oder metallischer Lüsterfarbe regt die Berliner Künstlerin an, die Welt zu hinterfragen. Ihr subtilster Clou des Remakes findet sich aber auf den Böden beziehungsweise im Hals der limitierten Kunstwerke und verhilft ihrer Schöpferin FRIEDLAENDER zu einem Comeback.

SHARON BERKAL: Die Geschichte der HALLE-Vase ist auch die Geschichte Deutschlands. Sie ist quasi ein Politikum. Wie hast Du versucht, diesem Thema künstlerisch Herr zu werden?

 

RONA KOBEL: Ich habe mich in zwei Schritten dem Thema genähert. Zum einen direkt über Marguerite Friedländer: Ihr Name wurde in den Produktionsblättern der KPM während des Nationalsozialismus weggestrichen. Es blieb nur noch ein schwarzer Balken übrig. Ich habe ihre Signatur wieder zurück auf die Vasen geholt! Zum anderen beziehe ich mich mit den Arbeiten auf auf die politische Situation von heute. In Form von den Worten, die ich in die Vasen eingearbeitet habe. Da haben wir zum Beispiel das Relief „Freedoom“, das thematisieren soll, dass die Freiheit auch heute immer noch ein sehr zerbrechliches Gut ist. Ich finde, uns ist viel zu wenig bewusst, dass es so viele Länder gibt, in denen die Menschen überhaupt nicht so frei sind, wie wir. Und dass auch hier die Freiheit eines unserer höchsten Güter ist und wir sie immer aus Neue bewahren und schützen müssen. Bei der großen Vase betone ich mit dem Relief „CouRAGE“ die Rage, die Wut. Es soll zeigen, dass, wenn man etwas verändern möchte, es auch eine gewisse Wut als Antrieb, als positive Kraft braucht. Das war damals und heute so. Das ist Geschichte und Gegenwart.


SB: Was war Deine gestalterische Herausforderung an diesem Projekt?

 

RK: Ich bin Bildhauerin und wusste sofort, dass ich die Form dreidimensional verändern möchte. Ich hatte mir am Anfang ein Modell der Vase ausgeliehen und erst einmal oberflächlich mit verschiedenen Typografien experimentiert. Es war mir sehr schnell klar, dass ich mich mit dem Thema „Freiheit“ beschäftigen möchte. Es kam mir nicht nur mit Bezug zu Marguerite Friedlaender in den Sinn, sondern auch weil das freiheitliche Denken des Bauhauses mit dem Nationalsozialismus sein Ende fand. Als dann jede Vase meiner bildnerischen Vorstellung entsprach, haben wir angefangen, komplett neue Formen zu bauen, so dass die Worte eben nicht nur ein aufgesetztes Dekor werden, sondern ein Teil der Vase sind. Wenn Sie jetzt in die Vase greifen, können Sie das Relief der Schrift als Negativ spüren und natürlich auch sehen.

SB: Warum arbeitest Du so gerne mit Porzellan?

 

RK: An Porzellan mag ich am meisten, dass es edel aussieht und so unschuldig weiß glänzt. Ich finde es total spannend, mit diesem schönen Material andere, eher unschöne und schreckliche Inhalte zu kommunizieren. Man wird erst von der Schönheit des Objektes angezogen, beginnt es zu betrachten, während sich seine Botschaft und Geschichte voll entfaltet und zum Vorschein kommt. Man schluckt die schwere Kost, ohne es zu merken. Diese Irritation, die dabei immer hervorgerufen wird, finde ich total spannend.



Mehr zu RONA KOBEL:

RONA KOBEL ist bildende Künstlerin und lebt und arbeitet in Berlin. Sie ist Dozentin an der Universität der Künste. RONA KOBEL, die 1982 in Freiburg geboren wurde und an der Universität der Künste in Berlin studierte, stellt ihre glänzenden, mit politischer Schlagkraft versehenen Objekte aus bereits seit Jahren aus KPM-Porzellan her. Ein gemeinsames Projekt ist nun die natürliche und perfekte Schlussfolgerung.

Foto: Trevor Good



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MARGUERITE FRIEDLAENDER:

Vor über hundert Jahren revolutionierte das Bauhaus die Designwelt. Es setzte der überbordenden floralen Ornamentik des Jugendstils etwas Neues entgegen. Man entwarf nun im Stil der Neuen Sachlichkeit und im Sinne der Funktionalität – zeitlose, klare und geradlinige Häuser, Möbel aus kühlem Stahlrohr, Objekte in Primärfarben. Es herrschte kreative Aufbruchstimmung. Auch bei der KPM, die damals staatliche Porzellan-Manufaktur Berlin hieß. 1929 trat ihr neuer Direktor, GÜNTHER VON PECHMANN, als Visionär seine Arbeit an. Der studierte Volkswirt und Mitglied des Deutschen Werkbundes stellte die Produktpalette der traditionellen Berliner Manufaktur unter dem Slogan „Porzellan für die neue Wohnung“ um. Das Porzellan sollte untereinander kombinierbar sein und so zur neuen Architektur, zur neuen Art der Einrichtung und zu den neuen Bedürfnissen der modernen Küchen passen.

 

Damit ging die Berliner Manufaktur als Vorreiter ganz neue konzeptionelle Wege. Denn in der deutschen Porzellanindustrie war von der Aufbruchstimmung des Bauhauses bis dato kaum etwas zu spüren gewesen. Traditionell blieb das Erscheinungsbild von Tellern, Tassen und Teeservicen auch noch in den 1920er-Jahren. Wenn es ums Porzellan ging, blieb man lieber beim guten Alten. Tafelgeschirr war ein Statussymbol, nahezu ungebrochen gaben ornamentale Relief-Dekore und Blumenmuster den Ton an.

 

Für seine geplante Modernisierung der KPM suchte GÜNTHER VON PECHMANN einen geeigneten Partner – so wie MARGUERITE FRIEDLAENDER. Die Tochter eines jüdisch-deutschen Seidenfabrikanten und einer Engländerin hatte ihre Ausbildung am staatlichen Bauhaus absolviert und lehrte an der renommierten Kunstschule BURG GIEBICHENSTEIN in Halle. 1929 begann die Zusammenarbeit mit der KPM.


FRIEDLAENDER entwarf auf der Grundlage von geometrischen Formen und geraden Linien. Wie eine Architektin setzte sie ihre Modelle zusammen.

 

In enger Gemeinschaftsarbeit mit der KPM änderte FRIEDLAENDER ihre Modelle und passte sie den Produktionsbedingungen für die serielle Herstellung an. Ihre Arbeit war wegweisend für die gesamte deutsche Porzellanindustrie. Ihr Werk wurde in der Weimarer Republik als Inbegriff innovativer, radikal sachlicher Gebrauchskeramik gelobt.

 

Wie schnell Ruhm vergehen kann, erfuhr sie 1933. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten fand ihre Karriere als Porzellandesignerin in Deutschland ein abruptes Ende und sie emigrierte 1940 nach Amerika. Als sie kurz darauf von einem Vorstandsmitglied des Museum of Modern Art in New York eingeladen wurde, servierte der Butler Tee in ihrem eigenen KPM-Service.

HALLE Vasen und Mokkaservice entworfen von MARGUERITE FRIEDLAENDER.
HALLE Vasen und Mokkaservice entworfen von MARGUERITE FRIEDLAENDER.

Wenn Sie mehr zur Kooperation von RONA KOBEL und KPM sowie MARGUERITE FRIEDLAENDER wissen oder sogar kaufen wollen, dann am Besten hier: www.kpm-berlin.com.