Im Gespräch mit Jörg Ehrlich und Otto Drögsler, Kreativdirektoren von MEISSEN.

Sie ist eine der ältesten Luxusfirmen der Welt, die erste Porzellanmanufaktur Europas und... sie befindet sich mitten in Deutschland: MEISSEN.

 1710 von August dem Starken gegründet, blickt die Manufaktur heute auf einen Produktschatz und ein Firmenerbe, das seinesgleichen sucht aber gleichzeitig auch verpflichtet: MEISSEN ist deutsches Kulturgut und es muss gelebt werden, um am Leben zu bleiben. Traditionen müssen dem Zeitgeist angepasst werden, ohne sie zu verleugnen oder zu verbiegen. Ein Spagat, der Können und Willen voraussetzt. Und Mut.

 

Diesen Mut beweist MEISSEN mehr als deutlich und setzt, ganz neu für Deutschland, zwei Modedesigner als Kreativköpfe ein. Seit Sommer 2017 sind Jörg Ehrlich und Otto Drögsler von ODEEH in den neu geschaffenen Positionen der Creative Directors bei der Manufaktur Meissen sowohl zuständig für die zukünftige Ausrichtung der einzelnen Produktwelten als auch für die visuelle Darstellung der Marke.

 

Otto Drögsler und Jörg Ehrlich wirken schon seit zwanzig Jahren gemeinsam als Designer für verschiedene internationale Marken. 2009 gründeten sie gemeinsam die Marke ODEEH, die in der Modebranche für die rar gewordene Atelier-Tradition steht. Mit ihren üppigen Mustern und sinnlichen Entwürfen ist ODEEH eines der wenigen international positionierten deutschen Labels und hat sich in jüngerer Zeit im Luxus-Segment der Damenmode erfolgreich am Markt etabliert. Genau diese Expertise, ihr ganzheitliches Verständnis von Luxusprodukten, kommt nun auch bei MEISSEN zu tragen, denn Erfolg in der Modeindustrie bedeutet heute weit mehr als nur die Kreation schöner Kleider: Es setzt eine globale Strategie mit Kommunikation und Markenbildung voraus. Träume müssen verbreitet werden. Dass die beiden Designer dies beherrschen, haben sie bereits bei ihrer eigenen Marke gezeigt – und zeigen es bereits mit neuen Produkten und einem sehr gelungenen neuen visuellen Auftritt auch schon bei MEISSEN.

 

Sharon Berkal hat die beiden auf ein Schnitzel im Berliner Traditionsrestaurant Borchardts getroffen.

Deutsches Design Deutsche Mode online Manufaktur Luxus MadeinGermany Meissen Haus Glanz Porzellan
Otto Drögsler und Jörg Ehrlich

HAUS GLANZ:

Wie seid Ihr und MEISSEN zusammengekommen? Es ist ja noch ungewöhnlich – für Deutschland – bei der Besetzung so einer wichtigen Position fachfremd zu denken?

 

JÖRG EHRLICH:

Eine Headhunterin, die MEISSEN betreut und die wir auch gut kennen, hat uns einfach angerufen. Sie wusste, dass wir eine Affinität zu MEISSEN und seiner Geschichte haben, obwohl wir beide keine Sammler sind, noch aus Familien mit dieser Leidenschaft stammen. Wir vermuten, daß man sich personaltechnisch schon vorher im Fachbereich umgesehen hat, aber vielleicht niemanden gefunden hat, der – im wahrsten Sinne des Wortes – über den Tellerrand blicken wollte. Wir haben ja einen völlig unerfahrenen und damit vollkommen unbedarften und unschuldigen Umgang mit Porzellan.

 

OTTO DRÖGSLER:

Uns hat die Ikone MEISSEN interessiert. Sich in dieses Geschichtsbuch, in diese rund 320 Jahre mit einschreiben zu können, war und ist ein unfassbarer Gedanke. Wir haben diese Anfrage daher als ganz große Ehre empfunden. Wir denken auch, ein Grund, warum man auf uns kam: Weil wir vor Dekoren, Mustern und Farben nicht zurückschrecken. Das ist die DNA unserer Arbeit als Modedesigner und für ODEEH. Wir sind wahrlich nicht minimalistisch. Und MEISSEN ist es auch nicht.

 

JÖRG EHRLICH:

Vor dem ersten Treffen hatten wir uns zwanzig Thesen und Gedanken zu Luxus aufgeschrieben: Wie denken wir über den Konsumenten, der heute MEISSEN kaufen soll? Was denken wir über Tradition? Wie modern muss Tradition heute sein? Wie radikal muss sich Tradition heute verändern, um heutig zu sein? Wie sehr muss sie aber im Alten bleiben, damit die Verbindung nicht abbricht?

 

OTTO DRÖGSLER:

Wir haben uns auch über das Thema „Räume“ angenähert. Wie lebt so jemand, den wir ansprechen wollen? Was hat er noch in seiner Wohnung stehen? Lebt er minimalistisch? Oder eher eklektisch?

 

HAUS GLANZ:

Ja, und genau diese Bruchstelle ist aktuell so spannend bei MEISSEN: Einer der großen Porzellanleuchter der Manufaktur sieht in einem Raum mit Sichtbetonwänden total anders aus als in einem bereits überfrachteten Etablishment. Da ergibt sich ein ganz neuer Stil.

OTTO DRÖGSLER:

Absolut. MEISSEN wurde in der Vergangenheit oft eben NUR als „veraltetes-12-teiliges-Service-auf-Damast-Tischdecke“ wahrgenommen und schnell abgekanzelt. Aber MEISSEN ist total vielschichtig: Es gibt vom Teller über Kerzenhalter bis zur riesigen Schwanenplastik unendlich viele Produkte und Richtungen. Unser Gedanken- und Arbeitsansatz war und ist: Welche Relevanz kann genau das in einem modernen bzw zeitgemäßen Haushalt haben? Wenn wir eine Figur wieder aufleben lassen, wie müsste die idealerweise aussehen, damit sie in einem Raum richtig strahlt? Allgegenwärtig ist aktuell der skandinavische Trend zum sehr Reduzierten. Menschen, die so wohnen, könnten mit einem barocken Stück ihre Wohnung drehen. Ein einziges Teil von MEISSEN kann das schon leisten. Was für eine Designleistung!

 

JÖRG EHRLICH:

Für den einen ist es eine barocke Figur, für den Anderen ist es ein Kerzenleuchter oder eine Kaffeetasse, die auf dem Schreibtisch steht. Was Otto sagt, diese Vielschichtigkeit und Komplexität, das ist für uns als Designer extrem reizvoll und auch der Unterschied zu unserer Arbeit in der Mode. Auch das Tempo, mit dem ein Stück Porzellan von MEISSEN entsteht, ist anders als in der Mode. Manchmal (Lacht.) müssen wir uns daran noch gewöhnen. Und MEISSEN an uns.

 

HAUS GLANZ:

Als wir vor einiger Zeit mit MEISSEN über HAUS GLANZ zu sprechen begonnen haben, haben wir eine Führung durch die Manufaktur bekommen – und waren schnell mit Ehrfurcht erfüllt. Diese Geschichte und Tradition und wie ernst die Mitarbeiter Ihr Handwerk nehmen. Das war sehr beeindruckend. Gerade in unserer Zeit, die oft so schnell, so digital und so entfremdet ist. Wie empfindet Ihr MEISSEN und seine über 300 Jahre alte Geschichte?

 

 

 

JÖRG EHRLICH:

Sich mit einer Institution wie MEISSEN zu beschäftigen, macht Dich – in einem positiven Sinne – kleiner. Es bindet Dich in einen Kontext ein, der „larger than life“ ist. Die ganzen Formen, die im Archiv stehen, haben Jahrhunderte und mehrere Kriege überlebt. Und sie stehen immer noch da. Jetzt betrachte dies mal vor dem Spiegel deines eigenes Lebens und Du bist sofort geerdet. Das ist für uns ein guter Ausgleich zu dem, was wir sonst machen.

 

HAUS GLANZ:

Hat die Ehrfurcht vor der Firmenhistorie auch mal wie eine Bremse gewirkt? Gab es Berührungsängste?

 

JÖRG EHRLICH:

Nein, alles hat seine Vorteile. Wenn Du jeden Tag in dieser Manufaktur bist und jeden Tag durch diese Räume und Archive läufst, wird es zu Deinem Alltag und Du vergisst schnell die Besonderheit des Ganzen. Für die Mitarbeiter ist es oft nur eine Werkstatt, für unsere ehrfürchtigen Augen ist es eine Schatzkammer... Wir sehen Schönheit überall.

 

HAUS GLANZ:

Wie wurde denn Eure neue Tätigkeit im Umfeld aufgenommen? Gab es auch kritische Stimmen?

 

JÖRG EHRLICH:

Natürlich. Es spaltet schon auch.

 

OTTO DRÖGSLER:

Es gab da diese schöne Schlagzeile, gleich nachdem publik wurde, dass wir die Stelle antreten: „Meissen braucht keine Schneider“. Da wurde uns erst einmal vor den Bug geschossen.

 


Deutsche Mode Deutsches Design Manufaktur Porzellan online MadeinGermany MEISSEN #ThisisMeissen HAUS GLANZ

HAUS GLANZ:

Schade, daß alles immer erst mit so einer Anti-Haltung begegnet wird. Aber es war natürlich auch ein krasser, aber sehr moderner und pro-aktiver Schritt.

 

JÖRG EHRLICH:

Ich kann es schon verstehen. Wenn ein Designer, der vorher Porzellan gemacht hat, jetzt plötzlich eine Modekollektion entwerfen würde, würde ich mich auch fragen, ob er das kann. Ich finde die Frage berechtigt und wir sind nun in der Bringschuld und müssen den Beweis antreten, dass wir das auch können. Wir wollen aber nicht in Konkurrenz mit den Fachleuten vor Ort treten. Das wäre auch dumm, denn an dieses, zum Teil über Generationen weitergegebenes Fachwissen werden wir nie herankommen. Wir wachsen gerade behutsam und in einem gesunden Tempo zusammen

 

HAUS GLANZ:

Unterscheidet sich der kreative Prozess zum Modedesign?

 

JÖRG EHRLICH:

Ja, auf jeden Fall. Schon aus dem einfachen Grund, weil wir da ohne Erfahrung rangehen. Beim Kleidermachen ist es so, dass wir bestimmte Dinge durch unseren Erfahrungsschatz einfach nur abrufen müssen.

 

OTTO DRÖGSLER:

Grundsätzlich ist es in der Mode so, dass am Ende immer der Kopf rausgucken muß und das es anzieh- und tragbar sein muss. Das hat man bei MEISSEN überhaupt nicht. Du kannst da ein Objekt schaffen, das nichts kann außer schön sein. Es hat keinerlei zweiten Nutzen, außer dass es dein Umfeld verschönert.

 

 


HAUS GLANZ:

Das ist ja eigentlich auch die reinste Form von Luxus.

 

OTTO DRÖGSLER:

Ja, es ist die reinste Form von Luxus, denn der Gegenstand muß nichts können.

 

HAUS GLANZ:

Viele der großen Entwürfe von MEISSEN sind für die meisten Menschen unbezahlbar. Hat man an Euch auch den Anspruch , dass Ihr das Werk etwas zugänglicher macht?

 

OTTO DRÖGSLER:

Wir sind sensibilisiert. Wir können jetzt schon während des Designprozesses erahnen, wie viel dieses und jenes Dekor kostet. Und ja, wir wollen das Werk zugänglicher machen.

 

HAUS GLANZ:

Wie war das Feedback auf Eure ersten Entwürfe? Die Wandteller mit den Porträts waren ja mit das Erste, was man öffentlich gesehen hat. Und die waren wirklich... anders. Anders als alles, was man zuvor von MEISSEN gesehen hat. War da auch Angst auf Eurer Seite, Euch zum, wie sagt man so schön, Nappel zu machen?

 

JÖRG EHRLICH:

Die Reaktionen waren natürlich geteilt. Aber die Wandteller haben extrem geholfen, den Blick auf MEISSEN zu verändern. Und am Ende auch den Blick auf eine Kaffeetasse von MEISSEN. Du nimmst die Wandteller wahr und wenn du die positiv annimmst, nimmst Du diesen Blick auch mit, wenn Du Dir das klassische Zwiebelmuster ansiehst.

 

 

deutsche Mode deutsches Design online MEISSEN Manufaktur Luxus Porzellan Made in Germany Haus Glanz
deutsche Mode deutsches Design online MEISSEN Manufaktur Luxus Porzellan Made in Germany Haus Glanz

HAUS GLANZ:

Und selbst wenn es Dir nicht gefällt, guckst Du ja noch einmal genauer hin. Das alte „any PR is good PR“...

 

JÖRG EHRLICH:

Genau. Es ist wie eine Ampel. Es hilft, alles in einen anderen Kontext zu bringen. Auch die Tassen der MUG COLLECTION sind so angelegt: Sie sind ein perfekter Einstieg in die Welt von MEISSEN. Sie sind zugänglich. Für 69 Euro kannst Du nun ein Stück MEISSEN bekommen. Wir wollen diese Kollektion auch zum Sammeln aufbauen, so dass es zwar jedes Jahr neue Designs, aber immer wieder auf der gleichen Form geben wird.

 

HAUS GLANZ:

Wie wichtig findet Ihr es, daß man diese Traditionsfirmen wieder verstärkt der Öffentlichkeit zugänglich macht, verstärkt ins Jetzt zieht?

 

JÖRG EHRLICH:

Es wäre dumm, es nicht zu tun, denn diese Firmen haben ja wirklich ein vorhandenes Erbe, das sogenannte “Heritage”. Es gibt tausende Firmen, die sich das wünschen und ein künstliches Erbe aufbauen. Man soll das Gefühl bekommen, die gibt es seit 100 oder 150 Jahren. Aber am Schluss ist alles ein Fake. Das fühlt man. Aber MEISSEN hat es, KPM hat es, Nymphenburg hat es – um jetzt einmal nur beim Porzellan zu bleiben. Und das darf man nicht vernachlässigen.

 

HAUS GLANZ:

MEISSEN ist eine der ältesten Luxusmarken Europas, da sollte man hier zu Lande vor lauter Freude und Stolz durchdrehen... Trotzdem hat man das Gefühl, die Wertschätzung für diese Art von kreativem Erbe ist in Deutschland sehr verhalten. Technik und Auto: JUHU. Der sinnliche Rest: Ist halt auch noch da.

 

OTTO DRÖGSLER:

Wir finden schon, daß die Wertschätzung da ist, aber leider gleichzeitig auch die Meinung, das es etwas Altbackenes ist. Die primäre Aufgabe, die wir uns jetzt mit allen Mitteln auf die Fahne geschrieben haben, ist, dass es in den Köpfen anfängt zu rumoren. Das klar wird, dass es nicht altbacken ist. MEISSEN wird ein bißchen gleichgestellt mit Schrankwänden aus Eiche und einer total überholten Generation, ABER wenn man dieses Produkt mal aus dieser Gedankenblase rausholt, ist es nur eins: total geil!

 

HAUS GLANZ:

Und das lassen wir nun als letzten Satz einfach mal so stehen.

 

#THISISMEISSEN

Deutsches Design deutsche Mode MEISSEN Porzellan Online Manufaktur MadeinGermany Haus Glanz
Alle Bilder ©MEISSEN